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Kana-Kunst Hintergrundbild
Sonderausstellung

Grenzen überschreiten – Kana-Kunst von Kaoru Akagawa

1996 nahmen Liechtenstein und Japan direkte diplomatische Beziehungen auf und wurde erstmals ein japanischer Botschafter für das Fürstentum akkreditiert. 2016 jährten sich diese Ereignisse zum 20. Mal. Aus diesem Anlass findet im Liechtensteinischen Landesmuseum in Zusammenarbeit mit der japanischen Botschaft in Bern vom 2. Februar bis 23. April 2017 die Ausstellung «Grenzen überschreiten – Kana-Kunst von Kaoru Akagawa» statt. Die Künstlerin Kaoru Akagawa verbindet in ihren Werken die Kana, alte japanische Schriftzeichen, mit moderner Kunst.


Grenzen überschreiten und den Fokus auf Gemeinsames richten
Was sind Grenzen? Möglicherweise mag man dabei an Ländergrenzen denken, oder aber an Grenzen zwischen verschiedenen Religionen. Kulturelle Unterschiede mögen auch von Bedeutung sein. Selbst innerhalb derselben Kultur gibt es verschiedenste Ausprägungen, wie die Musik, die Malerei oder die Kalligraphie, und je nach Epoche wiederum unterscheidet sich die Orientierung der Künste.


Sotatsu begegnet Wagner
Um Grenzen zu überschreiten, braucht man Mut. Manchmal wird man dabei mit Schwierigkeiten konfrontiert. Doch bietet der Fokus auf die Gemeinsamkeiten der Menschen auch die Chance, das gegenseitige Verständnis zu fördern und vielleicht sogar eine lebenswertere Welt zu schaffen. Dieser Leitgedanke steht hinter Kaoru Akagawas Werk «Jenseits von Zeit und Raum – Sotatsu begegnet Wagner», das Teil der Ausstellung ist. Als Motiv dient das Bild «Wind God and Thunder God», gemalt von Tawaraya Sotatsu, einem japanischen Maler, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts tätig war. Das Original ist im Besitz des ältesten Zen-Tempels von Kyoto, dem Kenninji-Tempel, und ist von der japanischen Regierung zum Staatsschatz erklärt worden. Kaoru Akagawa verbindet dieses Bild mit der europäischen Kunst der klassischen Musik, konkret mit der im 19. Jahrhundert von Richard Wagner geschriebenen Oper «Das Rheingold». Damit lässt sie japanische Tradition und europäische Tradition aufeinandertreffen. Auf den ersten Blick scheinen Sotatsus Gemälde und Wagners Musik bloss Tradition und Kunst als Gemeinsamkeiten aufzuweisen. Tatsächlich aber haben sowohl Sotatsu wie auch Wagner in ihren Werken das Naturphänomen des Gewitters aufgegriffen. Die Künstlerin Akagawa richtet ihr Augenmerk also darauf, dass die beiden Meister, welche jeweils in einer anderen Epoche lebten, sich einem anderen Genre verschrieben hatten, von einer anderen Kultur umgeben waren und eine andere Religion ausübten, gleichermassen vom Gewitter inspiriert wurden und versucht, diese Aspekte miteinander verschmelzen zu lassen.


Die Künstlerin übersetzte für ihr Werk die Oper «Das Rheingold» von Wagner ins Japanische und schrieb sie in den seit alten Zeiten gebrauchten Schriftzeichen, den Kana nieder. Dazu verwendete sie nur einen einzigen Pinsel und die Farbe Schwarz (Stangentusche). Allein durch Anpassung des Pinseldrucks beim Schreiben fügte sie den Schriftzeichen Schattierungen zu. Wie sie die in Deutsch verfasste Oper in Kana niederschrieb, so tauchte auf dem Papier das Gemälde von Sotatsu auf. Die Künstlerin setzt sich zum Ziel, durch die Verschmelzung von Musik, Bild und Kalligraphie die Grenzen von Vergangenheit und Gegenwart sowie von Ost und West zu überschreiten.


Eine in verschiedenen Kulturkreisen gross gewordene Künstlerin
Kaoru Akagawa wurde in Kanada geboren, ist in den USA aufgewachsen, hat in Japan ihr Studium absolviert und ist nun in Europa als Künstlerin aktiv. Seit 2008 führt sie den Meistertitel (Shihan) und den Mukansa-Titel als Kana-Kalligraphin. Dass bedeutet, dass ihre kalligraphischen Werke im Tokyo Metropolitan Museum ausgestellt werden, ohne dass eine Jury sie im Vorfeld betrachtet. Gerade weil Kaoru Akagawa in verschiedenen Kulturkreisen gross geworden ist, stellt das Bewusstsein über das Überschreiten von Grenzen den Kerngedanken ihres künstlerischen Schaffens dar. Die Frage, ob dem Menschen inneliegende gemeinsame Ideen, die unabhängig von Kulturkreisen oder Epochen sind, sich zu Werken machen lassen, beschäftigt Akagawa besonders. Diese Ideen, die sich an den von Jung geschaffenen Begriff des «Archetyps» anlehnen, haben Akagawa schon von Kindesbeinen an in ihren Bann gezogen.


Die Kana-Schriftzeichen – eine 1000-jährige Tradition
«Grenzen überschreiten» assoziiert man nicht zuletzt mit der Globalisierung, wobei der Eindruck entsteht, man löse sich von der Tradition. Das Instrument der Künstlerin sind aber japanische Kana-Schriftzeichen, welche eine 1000-jährige Tradition haben.

Unter den aristokratischen Frauen hatten die Kana im Japan des 10. Jahrhunderts einen hohen Stellenwert und galten als eine der wichtigsten Künste. Die Frauen aus der Oberschicht nutzten die Kana für ihre Liebesbriefe, für literarische Texte oder um Gedichte auszutauschen. Das erste bedeutende Meisterwerk der japanischen Literaturgeschichte, «Genji Monogatari», wurde im 11. Jahrhundert von einer adligen Frau in Kana geschrieben. Die nur in Japan verwendeten Kana blieben für über 1000 Jahre ein wichtiger Pfeiler der japanischen Kultur. Sie waren ein Beweis dafür, dass Frauen Trägerinnen der damaligen Kultur waren, ausserdem waren sie repräsentativ für die japanische Ästhetik. Bedauerlicherweise wurde im Rahmen der Modernisierung im Jahr 1900 von der japanischen Regierung entschieden, die Zahl der an den Schulen gelehrten Kana zu reduzieren. Die Regierung wählte nur ca. 50 Zeichen aus Hunderten von Kana aus, welche ein Teil der Ausbildung bleiben sollten. Als Folge dessen gerät im heutigen Japan allmählich in Vergessenheit, dass es einst eine Vielzahl von Kana gab. Durch ihre Werke verschreibt sich Akagawa der Wiederbelebung dieser Kana-Zeichen im modernen täglichen Leben. Man könnte sagen, dass dies zugleich der Herausforderung entspricht, die Grenzen von Tradition und Moderne sowie von Ost und West zu überschreiten.


Mendelssohn, Paganini, Janácek
In der Ausstellung im Liechtensteinischen Landesmuseum werden auch Werke gezeigt, deren Idee auf Mendelssohns «Sweet Remembrance» aus «Lieder ohne Worte», Paganinis «Devil’s Laughter» und Janáceks «Intimate Letters» beruhen. Die Künstlerin überschreitet somit die Grenzen zwischen einer breiten Vielfalt von Künsten, wie Musik, Kalligraphie und industrieller Gestaltung (Briefmarken), und bringt in ihren Werken zugleich Gefühle zum Ausdruck, die jeder unabhängig seines Ursprungs oder kulturellen Hintergrundes erfahren kann.

Die Ausstellung «Grenzen überschreiten – Kana-Kunst von Kaoru Akagawa im Liechten-steinischen Landesmuseum dauert vom 2. Februar bis 23. April 2017.



   
Jenseits von Zeit und Raum – Sotatsu begegnet Äsop - «Die Sonne und der Wind» von Äsop
2012
Leihgabe der Filia GmbH
© Kaoru Akagawa 
Jenseits von Zeit und Raum – Sotatsu begegnet Wagner  - «Das Rheingold» von Richard Wagner
Übersetzung ins Japanische: Kaoru Akagawa
2011
Leihgabe der Filia GmbH
© Kaoru Akagawa
 
   
Kaoru Akagawa - Foto: Stefan EichbergIntimate Letters-II - Die Noten von «The String Quartet No. 2», bekannt als «Intimate Letters» von Leoš Janá?ek, interpretiert mit japanischen Silben
2014
© Kaoru Akagawa
 
   
Intimate Letters-II - Die Noten von «The String Quartet No. 2», bekannt als «Intimate Letters», von Leoš Janá?ek, interpretiert mit japanischen Silben
2014
© Kaoru Akagawa 
  
2.2.2017 – 23.4.2017
Liechtensteinisches LandesMuseum